Seefrachtpreise aus China „explodieren“

Weltweit hat die Corona-Pandemie erneut Fahrt aufgenommen, was sich zunehmend auch wieder auf unsere Lieferketten auswirkt. Die Transportpreise explodieren und es ist eine Verknappung des Schiffsraums aus Asien zu beobachten. Und es geht dabei nicht nur um Verknappung und extreme Verteuerung, sondern auch schlichtweg und veränderte Anlieferung. So informierte ein Spielwarenimporteur SPIELZEUGinternational, dass z. B. eine Spielwarenlieferung aus China nicht wie geplant in einem deutschen Hafen, sondern in Piräus angeliefert worden sei und der Importeur für die Weiterverfrachtung sorgen musste – mit entsprechendem Mehr- und Zeitaufwand.

Der DVSI hat seinen Experten Markus Schering gebeten, die aktuelle Entwicklung, welche noch eine längere Zeit am Markt relevant sein wird, aufzuzeigen, damit die Branche auf die kommenden Wochen und Monate vorbereitet ist. Sicherlich wird die aufgezeigte Entwicklung für die DVSI-Verbandsmitglieder – und andere – noch eine längere Zeit am Markt relevant sei. Vielleicht, so schreibt DVSI-Geschäftsführer Ulrich Brobeil, ist das auch ein Anlass, über Möglichkeiten der Kooperation von Verladern – auch aus unserer Branche heraus – gemeinsam nachzudenken. Interessierte können sich hier bei ihm melden.

Eine Information zur aktuellen Transportsituation von Markus Schering, Schering Consulting UG, im Dezember 2020: 

Zum aktuellen Zeitpunkt explodieren die Transportpreise regelrecht und es ist eine Verknappung des Schiffsraums aus Asien zu beobachten. Doch welche Gründe hat dies? Im Folgenden möchten wir Ihnen gerne einen kleinen Überblick über die Situation geben, damit Sie vorbereitet sind auf die kommenden Wochen und Monate. 

Die Entwicklung der Seefrachtpreise ist eine direkte Folge der massiven Nachfrage von Containerequipment auf den Pazifikrouten, insbesondere Asien – USA, sowie der generell hohen Nachfrage weltweit. Durch diese extrem hohe Nachfrage nach Produkten in europäischen und amerikanischen Ländern werden Waren weltweit in großen Mengen aus Asien importiert, aber nicht in ausreichendem Umfang zurück nach Asien exportiert. Dies führt zu einem Ungleichgewicht in der Verteilung der Leercontainer. In Asien fehlen diese und in den USA und Europa stapeln sich Container, da der Export von Europa und den USA nach Asien für die Reeder nicht wirtschaftlich genug ist und durch die Kunden kaum nachgefragt wird. 

Grundlage dieser Entwicklung sind pandemiebedingte Nachfrageanstiege in den größten Wirtschaftsnationen der Welt. Neben einem Anstieg der Nachfrage nach pharmazeutischen und medizinischen Produkten sind es vor allem Produkte zur Sanierung, Renovierung und Verschönerung, die die Unternehmen der Branche DIY, Haus, Heim und Garten im Zuge des sog. Cocooning-Effekts verstärkt ordern. 

Die Folge: enorme Warenbestände in den Lägern und Häfen, auf Wochen ausgebuchte Frachtschiffe, fehlende Containerkapazitäten – und die Frachtraten steigen! 

Spätestens seit dem chinesischen Nationalfeiertag am 1. Oktober 2020 und der anschließenden „Golden Week“ hat sich die Marktsituation für Importe aus Asien nach Europa weiter zugespitzt. Eine Entwicklung, die am Shanghai Containerized Freight Index (SCFI) ablesbar ist: lag der Seefrachtpreis für einen 20‘ Standard Boxcontainer im April 2020 bei USD 725, so ist der Preis im November 2020, gemäß dem SCFI aktuell bei USD 1.644. Dies entspricht einem Anstieg von knapp +127%. Für 40‘ High Cube Container ist die Entwicklung ebenso dramatisch. Lange Zeit wurde für den Import eines 40’ High Cube Containers von Shanghai nach Hamburg eine Seefrachtrate von USD 950 bis 1.150 bezahlt. Mit dem Stand 16.11.2020 waren Unternehmen froh, wenn sie einen Preis unter USD 2.835 zahlen mussten, gemäß WCI – World Container Index. Ein Anstieg von immerhin +147% bis +198%. Ende November sind die durchschnittlichen Preise bereits bei über USD 5.000. 

Zusätzlich werden Terminlieferungen durch die Reedereien mit einem „Priority Zuschlag“ belegt, der bei vielen Reedereien einen USD 1.000 Aufschlag ausmacht. Doch sind auf der anderen Seite die Termine kaum haltbar, da es permanent zu „blank sailings“ oder eben zu hoffnungslos überbuchten Schiffen kommt. Container werden „gerollt“, wie es so schön im Fachjargon heißt, Schiffsabfahrten fallen einfach weg, da Häfen nicht mehr angefahren werden, die Rotation von Schiffen wird geändert oder sie fahren langsamer. Steigende Preise bei fallender Qualität – ist das die neue Realität im Seefrachtbereich? 

Verschärfend kommt hinzu, dass die Reedereien bevorzugt Waren von Asien nach Amerika und eben nicht in Richtung Europa verschiffen. Die Laufzeit von Shanghai nach Los Angeles z.B. beträgt ca. 16 Tage, nach Hamburg hingegen im Durchschnitt 35 

Tage. In Amerika zahlt man für den Import eines 40‘ High Cube Containers ca. USD 5.000. Bei einem Tagessatz von USD 313 (Asien – USA) im Vergleich zu USD 81 (Asien – Europa) ist einleuchtend, warum sich die Reedereien momentan mit Transporten nach Europa schwertun und die Preise dramatisch erhöhen. 

Diese Situation ist auch für den kompletten asiatischen Raum festzustellen. Insbesondere für den indischen Subkontinent (Indien, Pakistan, Bangladesch) ist die Entwicklung dramatisch. Schiffe „stapeln“ sich vor den großen Häfen und warten auf Abfertigung. Container fehlen hier genauso wie in China. 

Fraglich ist, ob der Import aus Asien per Bahn oder LKW eine Alternative darstellt. Diese werden in letzter Zeit oft als vermeintliche Heilsbringer vermarktet, doch stellt sich die Situation eigentlich nicht anders dar: für Bahnverladungen fehlt ebenfalls das notwendige Leerequipment und die Züge sind bis auf den letzten Platz ausgebucht, folglich steigen auch hier die Preise momentan zwischen 60 – 80 %. 

Durch coronabedingte Maßnahmen ist der LKW-Transport derzeit auch keine erfreuliche Alternative, die Laufzeiten der LKW Importe aus Asien haben sich deutlich verlängert: die üblichen 12 – 16 Tage Laufzeit haben sich um mehr als eine Woche verlängert, die Preise sind um rund ein Drittel gestiegen. 

Und die Aussichten? Solange keine neuen Wettbewerber der großen Reedereien auf den Markt treten oder großflächige Alternativen zur Seefracht den Markt durchdringen, werden die Preise bei gleichbleibenden Kapazitäten und größer werdenden Nachfragen steigen. Im Verlauf des aktuellen Jahres kann beobachtet werden, dass ab Ende August 2020 die Raten stetig und konstant gestiegen sind. Auch wenn sich dieser Trend in den kommenden Monaten wieder abschwächen dürfte, sehen Seefracht-Experten die Frachtraten im Jahr 2021 auf einem hohen Niveau: es wird erwartet, dass sich die Raten in einem Korridor von USD 1600 bis 2100 US-Dollar bewegen werden. Zusätzlich werden die üblichen Anpassungen bei den Treibstoffkosten Einfluss auf die Ratenentwicklung haben, wenn der Rohölpreis mittelfristig durch eine sich erholende Weltwirtschaft wieder steigen wird. 

Im laufenden Jahr hat die Corona-Krise gerade in der 2. Jahreshälfte deutliche Spuren in der Frachtschifffahrt hinterlassen; für das Jahr 2021 rechnen Experten der UNCTAD mit einer Erholung des Seefrachtmarktes und einem Wachstum von 4,8 Prozent. Weiterhin sind auf der Angebotsseite weitere marktverändernde Reedereizusammenschlüsse zu erwarten, wie die kürzlich erfolgte Übernahme von DAMCO durch Maersk gezeigt hat. Insofern wird 2021 sicherlich ein sehr spannendes, aber auch herausforderndes Jahr für alle Marktakteure. Was bedeutet das für die Importe unserer Branche? Nur über die unternehmens- übergreifende Kollaboration in Form eines BCO-Netzwerks werden in Zukunft die kleinen und mittleren Verlader im konzentrierten Markt der Carrier die benötigten Services und Preise generieren können. Am Markt bereits befindliche Modelle zeigen den erfolgreichen Weg dieser Form der Logistikkooperation.